Jede Woche stelle ich hier (ab Mitte März 09) ein Buch vor. Alle Autoren haben ein gemeinsames Thema. Sie machen sich - jeder auf seine Weise - Gedanken über die Zukunft. In diesem Blog werden die nach subjektiven Kriterien ausgewählten Monographien vorgestellt und in einen größeren Zusammenhang eingeordnet. zweitwissen will neugierig machen und zum Lesen eines kompletten Buches anregen, anstatt sich nur Informationshäppchen im Netz "anzulesen".

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Motto: "Umwege erhöhen die Ortskenntnisse"

Sonntag, 14. Juni 2009

Manchmal ist Schweigen mehr

Gewicht: 170 Gramm, Maße: 150 x 105 x 10 mm

'Bullshit' ist kein schönes Wort, aber  das hält viele Menschen nicht davon ab, genau jenen verbalen Müll zu produzieren, den man im amerikanischen Sprachraum locker mit 'Bullshit' bezeichnet. Ein winziges philosophisches Juwel klärt auf und tröstet all jene, die sich um eine klare Sprache bemühen.

Beginnen wir mit der Person. Der Autor des winzigen Bändchens, das im Original den schöneren Titel "On Bullshit" trägt, heißt tatsächlich so, wie es auf dem Buchcover verkündet wird. Frankfurt ist ein einigermaßen bekannter amerikanischer Philosoph, schon recht alt und daher vielleicht auch weise und lehrte an der Princeton University. 

Ich bin eines Tages in der ZEIT über eine Besprechung dieses Buches gestolpert, sonst hätte ich es in jedem Buchladen einfach übersehen. Da ich auch versuche in meiner Lehrveranstaltung "Wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben" ein Bewusstsein dafür zu vermitteln, was klare, schöne und verständliche Sprache ist, kam mir dieses Buch gerade recht. Es ist meine Legitimation, wenn ich von "Bullshit Qualifications" rede - solche Eigenschaften, die man als Verfasser wissenschaftlicher Texte besser nicht hat (oder auf sie verzichtet). 

Eigentlich ist das Buch nicht sehr leicht verdaulich, weil es einige Vertrautheit mit philosophischen Ansätzen voraussetzt. Es beginnt mit einem Paukenschlag und einer Provokation: "Zu den auffälligsten Merkmalen unserer Kultur gehört die Tatsache, dass es so viel Bullshit gibt". Den Rest des Buches versucht Frankfurt zu (er-)klären, was Bullshit ist. Wie man ihn vermeidet sagt er nicht - dafür sollte man dann zu mir in die Veranstaltung kommen. Ich will ja auch noch etwas zu tun haben.

Eine ethymologische Klärung der Herkunft des Wortes Bullshit zeigt die Nähe zum Gewäsch, zum Humbug, zur Phrasendrescherei usf. Großen Wert legt Frankfurt darauf, den Unterschied zur Lüge heraus zu arbeiten. Trotz seines geringen Umfangs ist das Buch eine Fundgrube an Anektoden, die verdeutlichen, wie einfach und gleichermaßen selbstverständlich es in allen gesellschaftlichen Bereichen geworden ist, zu "bullshiten" (to bullshit). Besonders erwähnt Frankfurt hierbei die Bereiche Public Relations und die Politik. 

Bleibt die Frage zu klären, warum es in dieser Welt so viel Bullshit gibt. Erstens, so Frankfurt, weil der Umfang der Kommunikation insgesamt angestiegen sei - und damit auch derjenige Anteil, der eben nicht viel mehr als hohle Phrasendrescherei ist. Zweitens aber, weil wir ein Ideal verloren haben, das Ideal der Aufrichtigkeit. Immer häufiger werden Menschen fast schon mit Gewalt dazu gedrängt, Bullshit zu produzieren - auch Wissenschaftler: "Bullshit ist immer dann unvermeidbar, wenn die Umstände Menschen dazu zwingen, über Dinge zu reden, von denen sie nichts verstehen. Die Produktion von Bullshit wird also dann angeregt, wenn ein Mensch in die Lage gerät oder gar verpflichtet ist, über ein Thema zu sprechen, das seinen Wissensstand hinsichtlich der für das Thema relevanten Tatsachen übersteigt." Nur wenige Menschen schaffen es, in diesen Sitautionen zu schweigen.

Beitrag zur  Zukunft der Menschheit: Frankfurt zeigt, dass alles Bullshit werden kann, sogar Aufrichtigkeit. Schweigen kann heilende Kräfte entfalten.

Harry G. Frankfurt: Bullshit. 2006. Frankfurt a.M. ISBN 3-518-58450-2

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