Gewicht: 350 Gramm, Maße: 290 x 157 x 31 mm
Jede Woche stelle ich hier (ab Mitte März 09) ein Buch vor. Alle Autoren haben ein gemeinsames Thema. Sie machen sich - jeder auf seine Weise - Gedanken über die Zukunft. In diesem Blog werden die nach subjektiven Kriterien ausgewählten Monographien vorgestellt und in einen größeren Zusammenhang eingeordnet. zweitwissen will neugierig machen und zum Lesen eines kompletten Buches anregen, anstatt sich nur Informationshäppchen im Netz "anzulesen".
Der Autor dieser Texte...
Mittwoch, 1. Juli 2009
Lernen von den Simpsons
Gewicht: 350 Gramm, Maße: 290 x 157 x 31 mm
Sonntag, 21. Juni 2009
Feinkost für Nomaden
Gewicht: 300 Gramm, Maße: 290 x 157 x 17 mm
Stunde der Zitate
Maße: 170 x 150 x 20 mm; Gewicht: 260 Gramm
Sonntag, 14. Juni 2009
Manchmal ist Schweigen mehr
Sonntag, 7. Juni 2009
Buch über den Bauch
Gewicht. 450 Gramm, Maße 220 x 170 x 30 mm
Dienstag, 19. Mai 2009
Die Zukunft wiegt schwer, so viel ist sicher
Montag, 18. Mai 2009
Freude am Überleben in Zeiten der Krise
Samstag, 9. Mai 2009
Wohin mit dem Menschenmüll?
Gewicht: 345 Gramm, Maße: 321 x 210 x 34 mm
Was passiert, wenn eines Tages mehr als die Hälfte der Bundesbürger arbeitslos sind? Wenn Arbeitsvermittler wie früher Außenminister mit dem Hubschrauber eingeflogen werden? Der preisgekrönte Roman von Joachim Zelter ist ein Muss für alle, die sich mit kritischen Gesellschaftsdiagnosen interessieren.
In der Schule der Arbeitslosen erhalten die Exkludierten ein ausgiebiges Motivations- und Bewergungstraining. Sie müssen u.a. das Fach „Biografisches Arbeiten“ belegen und fiktive Bewerbungsgespräche mit Trainern führen. Das Bewerbungsgespräch entpuppt sich als neue Kunstform, die Bewerbungsgefühle schwanken zwischen Heldenmut und Demütigung.
Eine Biografie ist nun nicht nur im soziologischen, sondern auch im ganz pragmatischen Sinne ein Konstrukt. Gefordert werden kombinatorische Phantasie, biografische Transaktionen, promiskuitive Lebensläufe, Autofiktionalität, Lebensläufe als eine Form angewandter Literatur, epische Autobahnen, fiktional konstruierte Handlungsgefüge, kombinatorische Eigenschaftsgebilde, ein Kohärenzsystem stimmiger Merkmale und Bedeutungsträger, einige (auf Regieanweisungsknappheit) reduzierte Kommentare. Es geht nicht mehr um Wahrheit, sondern lediglich um die Folgerichtigkeit biografischer Plotstrukturen und die biografische Attraktivität das eigenen Lebens.
Der Lebenslauf ist dabei nicht mehr als ein Steinbruch, der Rohstoffe für eigendynamische Biografien hergibt. Es geht nicht um Realitätssinn, sondern um Möglichkeitssinn. Dazu müssen zuerst einmal Lücken aufgedeckt werden: „Ausbildungs- und Berufslücken, […] extracurriculare Lücken, Hobby- und Freizeitlücken, Interessenlücken, Sprachlücken, Auslandslücken, Reiselücken, Computerlücken, Persönlichkeitslücken, emotionale Lücken [...]“. Und die knallharte Devise lautet: „Das Nichts eines Lebens ist jederzeit entschuldbar, jedoch nur im wirklichen Leben, nicht in einem Lebenslauf.“ Das eigene Leben wird damit zum autobiografisch optimierter Leben. Der Erfolg dieser Suchbewegung wird in der „Schule der Arbeitslosen“ mit dem „Certificate of Professional Application“ attestiert.
Mit diesem Konstrukt sollen sich dann die Menschen mit Design-Biografie von der Looser-Class abgrenzen, die aus verängstigten Menschen mit lebenslangen Kontaktschwierigkeiten und Bindungsängsten sowie negativen Kindheitserinnerungen besteht. Menschen, die latent depressiv sind und ein geringes Selbst- und Weltvertrauen an den Tag legen und – das schlimmste von allem – nur reduziert belastbar sind. Eine Biogafie, die das nicht leistet, wird so beschrieben: „Es fehlt die Spannung. Es fehlen die großen biografischen Zäsuren. Es fehlen die Aussichtspunkte, Tiefpunkte oder Wendepunkte. Und natürlich Höhepunkte. Zu wenig Menschliches. Keine wirkliche Geschichte. Zu viel Maß und Mittelmaß […]. Es fehlen die Extreme. Es fehlen die Bedeutungen. […] Wer will so etwas lesen? Geschweige denn einstellen?“
Beitrag zur Zukunft der Menschheit: So könnte Sie aussehen, die Zukunft! Null Menschenwürde, totale Verfügungsmasse, Endstation, Müll. Tun wir alles, um es zu vermeiden.
Montag, 4. Mai 2009
Vermeiden Sie zu viel Zukunft!
Nach eigenen Angaben ist das 2008 erschienene Buch „Zukunftsillusionen“ eine „Expertise“, die sich mit den Strategien der Trendforscher beschäftigt – die dabei nicht sehr gut wegkommen. Rust kreidet an, dass sich die Protagonisten dieses Milieus gegenseitig mit der Erfindung exotischer Begriffe überbieten, um damit Märkte, Zielgruppen, Tendenzen, Konsumorientierungen und soziale Wandlungsprozesse zu beschreiben.
Trotz Skurrilität haben diese Ideen Erfolg. Dies kann der seriöse Wissenschaftler nicht auf sich sitzen lassen – er holt zum Gegenschlag aus. Seinen Beitrag versteht Rust als methodologischen Opportunismus. Und ich kann ihn dabei gut verstehen. Wie auch schon Harry G. Frankfurt gezeigt hat, leben wir in einer Zeit, in der, mehr als jemals zuvor, Bullshit produziert wird. Die Trendforschung hat einen gewaltigen Anteil daran. Da hagelt es schon mal mit abwertenden Begriffen: „Wechselseitige Netzwerklegitimation“, „methodologische Scharlatanerie“, „Variationen oberflächlicher Ausdrucksaktivitäten“, „boulevardeske Forschung“ und eben: „Zukunftsillusionen“.
Prinzipien ernst zu nehmender Forschung kann man jedenfalls in den „Studien“ der Trendforscher lange suchen, so Rust. Ihnen geht es mehr um „Google-Publicity“ als um die reine Lehre. Vergleicht man die Internetpräsenz des durchaus renommierten „Sekretariats für Zukunftsforschung“ unter der Leitung des (echten) Professors Rolf Kreibich (dessen Publikationen ich in meinen Lehrveranstaltungen nutze) mit den Treffern zum „Zukunftsinstitut“ des umtriebigsten und umstrittensten Trendforschers Matthias Horx dann erhält man eine Quote von 600 zu 46.000. Echte Fakten versus Trendrhetorik.
Das Selbstbewusstsein der Trendforscher nimmt nach Rust schon fast groteske Formen an. Sie sehen sich als Vertreter einer Universalwissenschaft und machen auch vor biografischen Erfindungen nicht halt. Detailverliebt (wie sonst nur Umberto Eco) zeigt Rust wie sich z.B. Matthias Horx als „Professor“ ausweisen lässt, obwohl er nur einen Lehrauftrag innehat. Rust demaskiert die Faktengläubigkeit und den Tanz um das goldene Kalb der Prominenz, die sich mit „Science-Faction“ und Biografieveredelung beschäftigt. Die Biografie, so Rust, sei das Ergebnis eines „konfabulatorischen Konstruktivismus“ (139) bei dem einige empirische Grunddaten einfach uminterpretiert werden. Und prompt liefert der Autor gleich eine Homologie zwischen Biografiekonstruktion und dem Arbeitsprinzip der Trendforschung.
Auch am Beispiel des (weltberühmten) John Naisbitt, der sich gerne als Berater von Präsident Johnson (und ähnlichem mehr) ausgibt, lässt sich dieses Muster studieren. Ein paar Fakten stimmen, der Rest ist eben ein Trend, eine (autobiografische) marketingtechnische Aktion, die sich als möglichst selbstwertdienlich erweisen soll – und dies oft genug auch tut.
Dahinter steckt mehr als nur menschliche Eitelkeit und der Wunsch, sich als Wissenschaftler dazustellen um den eigenen Trendreports mehr Legitimität zu verleihen. Es ist auch eine Kritik an der Leichtgläubigkeit im Internetzeitalter, in dem mal hier, mal da abgeschrieben und ohne Gegenrecherche übernommen wird. Gerade die Bereitschaft, vorgefertigte, wohlklingende biografische Elemente zu übernehmen, ist im Zuge der allgemeinen Verbequemlichung gestiegen. Gedient ist damit beiden Seiten: „Die Veredelung der Rolle von Trendforschern vollzieht sich also in einem Wechselspiel des Kundenbedürfnisses nach Glanz und Titeln und der Bereitschaft des Anbieters, diesen Glanz und die Titel anzunehmen“ (139).
Von den vielen Ausführungen zur Erzeugung von Illusionen mag an dieser Stelle der Bericht über Dr. Fox und die Nonsens-Wissenschaft genügen. Es zeigt das Problem, um das sich im Buch – ordentlich recherchiert und kurzweilig vorgetragen – alles dreht: Der Schein siegt oftmals über das Sein, ein uralter Topos also, der von Horx & Co. reaktiviert wird.
1970 versammelte man wissenschaftliche Experten zu einem Vortrag mit dem Titel „Anwendung der mathematischen Spieltheorie in der Ausbildung von Ärzten“. Was die Zuhörer nicht wussten: Der Vortragende, der sich als Dr. Fox ausgab, war gar kein Wissenschaftler, sondern ein Schauspieler. Der Vortrag war lediglich ein Experiment, die Zuhörer darin die (unfreiwilligen) Probanden. Der Schauspieler hatte von einem Psychologenteam die Aufgabe erhalten, auf der Basis eines Fachartikels einen Vortrag zu entwickeln, der ausschließlich aus unklarem Gerede, erfundenen Wörtern und widersprüchlichen Feststellungen bestand. Dazu viel Humor und sinnlose Verweise zu andern Artikeln. Die Zuhörer waren begeistert und gaben anschließend an, dass das Material gut geordnet gewesen sei, die Beispiele verständlich und der Vortrag ihr Denken angeregt hätte. Das größte Problem bestand bei dem Experiment darin, den Schauspieler davon abzuhalten, doch etwas Sinnvolles zu sagen.
Allein mit seinem Stil hatte der Schauspieler Interesse geweckt. Die Psychologen waren vom Ergebnis ihrer Studie so beeindruckt und überzeugt, dass sie vorschlugen, die Motivation von Studierenden dadurch zu steigern, dass nicht mehr Professoren Vorlesungen halten, sondern Schauspieler dafür zu trainieren.
Beitrag zur Zukunft der Menschheit: Wer so leichtgläubig ist, hat es auch nicht besser verdient. Vielleicht ist das Dr. Fox-Experiment aber auch die beste Erfindung seit es e-learning gibt?
Sonntag, 26. April 2009
Scheidung vom Zeitgeist
Sonntag, 19. April 2009
Ich nenne es Hype
Montag, 6. April 2009
Flipper, das Internet und ich
Ausgangspunkt der Zukunftsstudie von Maier sind eher düstere Gedanken. Maier sieht die Gattung Mensch im apokalyptischen Zeitalter durch zunehmende Komplexität der Problemstellungen bedroht. Um die Welt ist esschlecht bestellt: Sogar der Dalai Lama habe aufgegeben, denn die Probleme des 21. Jahrhunderts sind nicht mehr mit den Methoden des 20. Jahrhunderts zu lösen. Lösungen müssen zukünftig komplett anders erarbeitet werden. In der digitalen Industrie und ihren Vertretern (also auch bei sich selbst) sieht Maier die Helden von Morgen. Ein „postapokalyptisches Zeitalter“ (Grace Jones) braucht radikal neue Lösungsmethoden. Im Internet erkennt Maier die Möglichkeit zur Rettung. In den Menschen, die mailen, klicken und bloggen (also uns allen) sieht er die Retter der Welt: „Sie tun gemeinsam etwas zutiefst Sinnvolles“. In den beschleunigten Kommunikationsritualen des Netzes erkennt er einen Ausdruck existentieller Eile: „Wir kommunizieren um unser Leben“.
Wer alle seine Hoffnung in das Internet setzt, kann den kulturpessimistischen Klagen der „alten Elite“ nicht zustimmen. Den Vorwürfen einer zunehmenden Verdummung durch das Internet stellt Maier seine Utopie einer kollektiven Verbesserung der Welt durch die gemeinsame Nutzung des Netzes gegenüber. Es geht, so Maier, nicht um Degeneration sondern um „eine grandiose, kollektive Anstrengung“. Doch worin besteht diese Anstrengung und worin mündet sie?
Den Hauptnutzen des Internets sieht er in den „kollektiven Denkerfolgen“, wobei der dem Internet eine „Superhirnfunktion“ zuschreibt: „Das Internet verändert unser Gehirn. Und zwar nachhaltiger als alles, was wir bisher im Bereich von Kommunikation und Information erlebt haben. Intellektuelle Panikattaken zucken durch eine Welt, in der nichts mehr ist, wie es einmal war. (...) Der Computer ist Teil von uns geworden“. Dies ist soweit noch nichts Neues, sondern nur eine schöne Umschreibung dessen, was man sonst trockener unter Mediatisierung und der Ubiquität neuer Medien versteht. Wie aber kann man nun mit dem „Superhirn“ Internet die Apokalyspe verhindern?
In der Internetgeneration erkennt Maier die Angehörigen einer neuen Klasse, die er ganz unbescheiden die „Helden von Morgen“ nennt. Die Digitale Bohème, wie sie an anderer Stelle genannt wird, unterscheidet sich aber von den „Helden von Gestern“, Typ Gandhi. Es geht nicht um Charisma, sondern um die Fähigkeit zur Vernetzung. Es gibt also nicht einen, sondern viele Helden. Prinzipiell unendlich viele – womit dann auch ein Paradoxon auftritt: Wenn alle Helden und/oder Elite sind, ist unklar, wie man sich dann noch (von anderen) unterscheidet. Jedenfalls haben diese Helden neue Eigenschaften: „Diese Helden erkennen wir nicht daran, dass sie besonders aus der Masse herausragen. Ihre Stärke liegt in ihrer Fähigkeit, sich in die Köpfe der anderen hineinzuversetzen. Das wichtigste Merkmal der Elite von morgen ist ihre Fähigkeit zur Integration“. Die Zukunftsform des Heldentums kommt also ohne Individualismus aus. Kollektivismus wird wieder gesellschaftsfähig.
Und das war angeblich schon von Anfang an so gedacht. Die Tatsache, dass das Internet nicht als exklusives militärisches Gerät endete, schreibt Maier einer „kollektiven Intuition“ zu, „einem Instinkt, der zum Begreifen führte, welches gewaltige Potenzial in der weltweiten Vernetzung besteht“. Um dies zu belegen, zitiert er eine (bei näherem Hinsehen) sehr ambivalente Aussage von Tim Berners-Lee, der bei der Geburtsstunde des Internets dabei war: „Die Leute, die das Internet und das Web gebaut haben, haben die größte Wertschätzung für das Individuum (...) Wenn alle Individuen den Willen dazu haben, dann können wir kollektiv eine Welt bauen, die wir haben wollen“. Wertschätzung für das Individuum und Integration durch kollektive Vernetzung – wie geht das zusammen?
In jedem Fall aber will Maier erkennen, dass die Vernetzung menschlicher Köpfe zum großen Superhirn bereits jetzt Form annimmt. Er vergleicht das Internet mit dem Echolotsystem, mit dem Delfine kommunizieren. Bei seinem Vergleich stützt er sich (leider) nur auf eine einzige Quelle, ein Buch der Entwicklungspsychologin Katharina Zimmer (Doktor Delfin. Wie Tiere heilen helfen, 2004). Dieses Buch ist nur ein Beispiel von vielen „Wunder-Büchern“, die den Einsatz von Delfinen in therapeutischen Kontexten beschreiben. Was ist nun das Besondere an Delfinen und warum kann man das Internet mit deren Kommunikation vergleichen?
Delfine stehen ständig miteinander im Kontakt. Man kann von einer „unheimlich raschen Wahrnehmungsintegration“ sprechen – so die Delfinforscherin Zimmer – die sich aus dem Zusammenspiel von Nah- und Fernsinnen der Delfine ergibt. In dieser Form von „Biofeedback“ kann man (wenn man möchte) eine neue Form der Intelligenz sehen (Übrigens ein sehr schönes Beispiel für einen sog. sozialen Zuschreibungsprozess: Intelligenz ist – aus wissenssoziologischer Perspektive – das, was wir für intelligent halten. Intelligenz ist also keine Eigenschaft, sondern das Resultat einer Übereinkunft).
Sonntag, 22. März 2009
Tiefflug unter dem Radar
Maße: 230 x 150 x 30 mm; Gewicht; 450 Gramm