Jede Woche stelle ich hier (ab Mitte März 09) ein Buch vor. Alle Autoren haben ein gemeinsames Thema. Sie machen sich - jeder auf seine Weise - Gedanken über die Zukunft. In diesem Blog werden die nach subjektiven Kriterien ausgewählten Monographien vorgestellt und in einen größeren Zusammenhang eingeordnet. zweitwissen will neugierig machen und zum Lesen eines kompletten Buches anregen, anstatt sich nur Informationshäppchen im Netz "anzulesen".

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Motto: "Umwege erhöhen die Ortskenntnisse"

Montag, 18. Mai 2009

Freude am Überleben in Zeiten der Krise

Gewicht: 600 Gramm; Maße: 210 x 127 x 46 mm

Zu jeder Zeit im Leben sollte man von guten Ratgebern umgeben sein. Zum Glück gibt es immer den einen oder anderen, der sich befähigt fühlt, uns mit guten Ratschlägen zu versorgen. Derart gerüstet, ist die Bewältigung der Krise doch nur ein Kinderspiel.

In meiner Kindheit gab es nur ein maßgebliches Ratgeberbuch. Es hieß "Geheime Tips von Donald Duck. Ein praktisches Handbuch für Jungen". Man sieht sofort, dass das Buch lange vor der Rechtschreibreform und lange vor Gendermainstreaming herausgekommen sein musste. Ich fand es vor ein paar Wochen zu Hause auf dem Dachboden. Ich weiß nicht mehr, wie alt ich war, aber ich hatte meine Größe eingetragen: 140 cm. In dem Buch konnte man alles über Geheimtinte, Drachenbau, Windstärken  und den Gordischen Knoten lernen. Später hielt ich mich dann an das "US Army Survival Handbook". Hier ging es um saftigere Themen: Überleben nach einem Flugzeugabsturz, Bestimmung der Himmelsrichtung mit der Uhr (habe ich ab und zu auf Reisen benötigt) oder Umgang mit Haien in tropischen Gewässern. 

Alle diese Bücher wirken wie eine Apothekerzeitschrift gegenüber einem Medizinlexikon. Nützlich, aber eben nicht umfassend. Der Österreicher Karl Leopold von Lichtenfels hat sich - kein Wunder bei dem Namen - zur Aufgabe gemacht, ein ergiebiges Lexikon zu schreiben, dass das gesamte Weltwissen über den Umgang mit Krisen und Katastrophen enthält. Da wir ja gerade in eine Krise geraten, ist es vielleicht nicht schlecht, sich mit der Lektüre dieses Buches auf den Ernstfall vorzubereiten. Der Markt boomt übrigens. Krisenbewältigungsliteratur macht Kasse. Titel wie "Selbstversorgung aus dem Garten: Wie man seinen Garten natürlich bestellt und gesunde Nahrung erntet" erinnern an den "Wholy Earth Cataloge" (ab 1968) von Stewart Brand, der als Vorläufer der heutigen Internet-Suchmaschinen gilt. Weitere Titel wie "Das große Buch der Überlebenstechniken. Das umfassende Nachschlagewerk für alle, die sich in Ausnahmesituationen rasch richtig verhalten und durchsetzen wollen" zeigen, das auch heute noch Bücher ohne anständiges Lektorat auf den Markt kommen aber gleichzeitig auch die Wichtigkeit von "Canned Decisions", auf etwa: Entscheidungsvorratshaltung. Piloten trainieren solche Entscheidungsroutinen, um dann im Ernstfall fast instinktiv reagieren zu können. 

Wie aber reagieren wir als Normalbürger auf eine Krise? Leopold von Lichtenfels studierte Astronomie, Physik, Theologie und Pädagogik in Wien und realisierte sein Buch mit Hilfe eines Stipendiums. Es war eine Art Abfallprodukt einer Analyse von 350 Prophezeiungen zum Untergang der Welt. Klar, dass man sich da Gedanken macht. Sein Beispiel zeigt aber auch, dass Wissenschaftsförderung manchmal sogar die Richtigen trifft. 

Das Buch soll eine Art "Arche Noah des Überlebens" sein. Das ist ein wenig hoch gegriffen. Dennoch gibt es viele interessante Hinweise zu entdecken. Nicht alles hat der Autor selbst überprüft. So bedauert er in seiner Einleitung ausdrücklich, dass er die vorhandenen Anleitungen zu Kannibalismus nicht selbst verifiziert hat - für einen Wissenschaftler ein hartes Los, die eigene Neugierde kleinlichen forschungsethischen Bedenken unterordnen zu müssen. 

Das Buch  ist klar und praxisorientiert strukturiert. Es beginnt mit einem Kapitel über "Katastrophenschutz für Anfänger" und listet dann alle bekannten Gefahren auf: Brände, Erdbeben, Flutkatastrophen, Vulkanausbrüche usf. Dazu kommen Ungemütlichkeiten wie Krieg, Luftalarm und Kernwaffeneinsätze. Anzeichen für einen Kernwaffeneinsatz sind, so der Autor, "sehr helle, plötzliche Lichter" sowie "donnerartiges Grollen". Dies gilt auch einige Discos, ist aber sicher richtig. Die Ratschläge, die er zum Überleben von atomaren Explosionen gibt erscheinen ein wenig hilflos. Hilfereicher ist schon die Liste mit Orten, an denen man eine höhere Überlebenschance hat oder die Liste an Orten, die man meiden sollte, weil sie in Prophezeiungen über den Weltuntergang erwähnt werden. Es gibt so viel zu entdecken, dass man sich als Leser fast schon ärgert, in einer derart behüteten Welt zu leben.

Beitrag zur Zukunft der Menschheit: In diesem Fall mehr als offensichtlich. Dieses Buch gehört als pdf-Version auf jedes Handy!

Karl Leopold von Lichtenfels: Lexikon des Überlebens. Handbuch für Krisenzeiten, 2005. Köln: Anaconda. ISBN 3-938484-26-8

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